4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
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Aus: Ausgabe vom 25.04.2024, Seite 11 / Feuilleton
Kino

Endlicher Spaß. Tennis und Sex in Luca Guadagninos Film »Challengers«

Von Holger Römers
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Verliebte Tennisspieler: Herz in Flammern, aber Knie kaputt - Art (Mike Faist) und Tashi (Zendaya)

»Tennis ist eine Beziehung«, so kommentiert die weibliche Hauptfigur von »Challengers – Rivalen« das US-Open-Finale, das sie gerade in der Nachwuchskategorie gewonnen hat. Dabei klingt sogleich ein sadomasochistischer Unterton an, da Tashi (Zendaya) ihre Gegnerin nach Belieben dominiert hat. Die Beziehungen, die sie dann nacheinander mit den beiden männlichen Hauptfiguren des Films eingeht, geraten wiederum prompt in eine Krise, sobald die Turnierergebnisse von Patrick (Josh O’Connor) beziehungsweise Art (Mike Faist) nicht mehr den strengen Ansprüchen der jungen Frau genügen. Folgerichtig scheint auch der Sex im Dienst des Sports zu stehen, wenn Tashi nebenbei Trainingstips erteilt oder Gegenleistungen auf dem Tennisplatz einfordert. Da eine Verletzung zwischenzeitlich die Profikarriere der Protagonistin zunichtegemacht und ihr bloß die Rolle einer Trainerin gelassen hat, stellt sich im Laufe von Luca Guadagninos achtem Spielfilm aber zunehmend die Frage, ob Liebe und Lust an den Sport geknüpft bleiben können.

Der Sport ist auch die Basis der Freundschaft von Patrick und Art. Wie wir aus einem frühen Dialog erfahren, wurden sie als Zwölfjährige Zimmergenossen in einem Tennisinternat. Daher rührt die innige Zuneigung, die die beiden unbefangen an den Tag legen, als sie das Juniorendoppel bei den US Open gewinnen. Die in einem Film von Guadagnino naheliegende Ahnung, dass diese Verbundenheit ein erotisches Element enthält, wird sogleich bestätigt, wenn die Doppelpartner sich auf Anregung Tashis zärtlich küssen. Obwohl das unterm Vorzeichen eines erhofften flotten Dreiers geschieht, stellt sich also die Frage, inwieweit die plötzliche Rivalität der Männer um die Gunst der Frau latentes Begehren verdrängt.

Das kokette Drehbuch von Justin Kuritzkes lässt die aufkeimende Konkurrenz selbstredend ebenfalls auf dem Tenniscourt Gestalt annehmen: Als Patrick und Art bei den US Open im Einzelfinale der Junioren aufeinandertreffen, winkt dem Sieger eine Verabredung mit der Angebeteten. Als die beiden gut ein Dutzend Jahre später bei einem drittklassigen Turnier (eben ein »Challenger«) noch einmal Finalgegner sind, steht für Art indes die Ehe mit der Frau auf dem Spiel, die ihn als Trainerin zu Triumphen bei allen Grand-Slam-Turnieren geführt hat – außer bei den binnen Wochenfrist beginnenden US Open. Ob Patrick, dessen Profikarriere nie in Gang gekommen ist, von Tashi seinerseits eine Belohnung für einen Sieg erwarten dürfte, steht dagegen auf einem anderen Blatt.

Folgerichtig haftet der Melodramatik, während die Handlung von dem gegenwärtigen Match regelmäßig in jüngere wie fernere Vergangenheit zurückblendet, stets etwas Spielerisches an. Während Trent Reznor und Atticus Ross, die schon die Musik zu Guadagninos jüngstem Spielfilm »Bones and All« beigesteuert haben, den verschachtelten Plot mit Retro-Techno antreiben, bietet die Inszenierung ständig neue Einfälle: So veranstaltet der 1971 geborene italienische Regisseur einen hübschen Budenzauber, wenn er einen melodramatischen Höhepunkt durch einen Sturm akzentuiert, der in einer Vorstadt New Yorks herumliegenden Müll aufwirbelt. Sein langjähriger Kameramann Sayombhu Mukdeeprom lässt die mit Wucht gedroschenen Tennisbälle wiederum direkt die Kamera ansteuern, bevor diese schließlich selbst die Drehbewegung der fliegenden Filzkugeln aufnimmt. Guadagnino nennt als filmhistorische Inspirationsquellen unter anderem Scorseses »Die Farbe des Geldes« (1986) und die Tennisszene aus Hitchcocks »Der Fremde im Zug«. Die verrückteste Idee verdankt sich aber wohl dem japanischen Exzentriker Suzuki Seijun, der in den 1960ern Kampfszenen durch einen Glasboden filmte.

Kurzum, »Challengers – Rivalen« macht Spaß. Und der berührt gerade da, wo er oberflächlich bleibt, das hintergründige Thema des Films, denn im Kern geht es hier darum, dass schlichter Spaß nicht ausreicht, ein Leben befriedigend auszufüllen. Eigentlich könnten alle drei Hauptfiguren ihren Sport oder irgend etwas anderes zum Vergnügen betreiben. Nebenbemerkungen lassen uns früh wissen, dass sowohl Patrick als auch Art aus reichem Haus stammen. Und Tashi versucht, Arts Ehrgeiz später anzustacheln, indem sie ihm alternativ in Aussicht stellt, beide könnten »bloß reiche Leute sein«. Da tingelt man lieber weiter im Turnierzirkus. Fast die gesamte Handlung ist auf Sportgeländen oder in Hotels angesiedelt, die auch dann gesichtslos wirken, wenn sie Luxus versprechen. Doch auf dem Tennisplatz kann sich immerhin noch einmal ein geteilter Moment ursprünglicher Leidenschaft einstellen, angemessen gekrönt von einem abschließenden Urschrei.

»Challengers – Rivalen«, Regie: Luca Guadagnino, USA 2024, 131 Min., Kinostart: heute

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